– … in der Bewegung
Gillian Higgins auffällige Fotos und Videos von Pferden, auf denen Knochen, Muskeln oder Organe gezeichnet sind, kenne ich bereits seit einigen Jahren aus dem Internet. Diese tolle Idee hat es mir als Anatomie-Muffel deutlich erleichtert, mich intensiver mit dem Thema „Anatomie der Pferde“ zu befassen. Für Euch habe ich mir nun auch diesen außergewöhnlichen Bildband vorgenommen. Ich stelle Euch dieses Buch hier vor, ergänzt durch einige persönliche Denkanstöße.
Horses inside out – die Anatomie der Pferde
„Anatomie in Bewegung“ von Gillian Higgins – Kosmos, 2025, ISBN: 978-3-440-17894-2 54,- EUR (gebunden mit durchgehend farbigen Abbildungen + 4 Stunden Videos in der Kosmos-Plus-App)
Das Buch beeindruckt zunächst allein durch sein enormes Format mit einer Breite von über 30 Zentimetern! Die meisten Bilder darin sind darüber hinaus ausklappbar, so dass die Fotoserien auf einer Breite von über einem Meter anzuschauen sind.

So lassen sich dann ganze Bewegungsfolgen sehr genau studieren, wie z.B.
- alle Grundgangarten + Tölt, Rennpass u.a.
- das Laufen über Cavalettis,
- verschieden Sprünge,
- unterschiedliche Lektionen
- und anderes mehr.
So präsent der Bildband erscheint, so bieten aber die rund 4 Stunden Videos, die mit dem Kauf des Buches auf der Kosmos-Plus-App angeschaut werden können, noch deutlich mehr. Denn mit ihnen lässt sich Anatomie er wirklich in Bewegung erleben! Die Video-Sequenzen gehen noch weit über das Buch hinaus und werden ausführlich von Gillian Higgins kommentiert.
Sehen lernen, ja – aber dabei das Fühlen dabei nicht vergessen!
„Anatomie in Bewegung“ regt zum genauen Hinsehen an und vermittelt umfassendes Wissen über den Pferdekörper. Beides ist unerlässlich, um Trainingsvorgaben und -ergebnisse besser einschätzen zu können. Leider übernehmen immer noch zu viele unkritisch Anweisungen. Hier wachsamer zu werden und genau zu prüfen, ob das, was uns geraten wird, auch wirklich gut für unser Pferd ist, ist Teil der Verantwortung, die wir als Pferdebesitzer*innen und Reiter*innen haben. Genau dafür erklärt die Autorin anschaulich, worauf beim Betrachten der Videos zu achten ist und weist dabei erfreulicherweise auch auf Reiter- und Einwirkungsfehler hin.
Ich persönlich wünsche mir, dass die wirklich eindrucksvollen Aufnahmen noch viel mehr zur Aufklärung in Sachen Pferdewohl genutzt würden! So bleiben leider zum Beispiel zu eng geschnürte Sperrriemen, sichtbarer Sporeneinsatz, Nasenlinien hinter der Senkrechten oder Schmerzgesichter unkommentiert.
Wirklich hinsehen zu lernen ist sehr wichtig, aber zu oft steht nur der Körper des Pferdes im Fokus. Gerade die tolle Arbeit von Gillian Higgins kann dafür sensibilisieren, dass wir bei allem Sehen das Fühlen nicht vergessen dürfen. In Zeiten, in denen endlich der Ruf nach mehr Pferdewohl lauter wird, reicht es nicht mehr aus, die Anatomie der Pferde losgelöst von dem zu betrachten, was die einzelnen Aktionen mit dem Lebewesen machen. Genau solche Bücher und Filme bieten eine große Chance, nicht nur Wissen, sondern auch Mitgefühl zu schulen.
Von Fehlern, die eigentlich keine sind…
Ganz am Ende gibt es im Buch noch eine Doppelseite und ein Video zu dem, was in dem Buch als „unvorhergesehene Bewegungen“ bezeichnet wird. Dort ist zu sehen, wie Pferde „nicht korrekt“ über Stangen laufen, seitlich wegspringen oder sich gerade noch über Sprünge retten. Es ist schön, dass die Autorin darauf hinweist, dass nur wir Menschen solche Bewegungen unter dem Label „schief gegangen“ abbuchen. Die Videos hierzu zeigen zwar leider den typischen Umgang mit den vermeintlichen Fehlern der Pferde, nämlich Korrektur und Rüge. Aber Gillian Higgins Worte richten den Blick darauf, dass wir die hier eigentlich Erfolge sehen! Die Szenen machen deutlich, dass Pferde als Bewegungsmeister in der Lage sind, auch widrige Situationen brillant zu meistern.
Und genau da findet im Kleinen bereits einiges an Umdenkprozessen im Training (nicht nur von Pferden) statt! In der Natur gibt kein Mensch jede Bewegung, jedes Maß und jede Folge von Schritten vor, im Gegenteil! Natürlicherweise sind Körper immer gefordert, sich mit neuen Bewegungsherausforderungen zu befassen. Sie zu meistern sind Erfolge eines hoch effektiven Bewegungssystems. Das nutzen neuere Trainingsansätze. Unter dem Stichwort „propriozeptives Training“ geht es nicht mehr darum, ständig gleiche Bewegungen zu erzwingen. Vielmehr werden unterschiedliche Bewegungsanregungen und – aufgeben gestellt, durch die Pferde ihre natürlichen Fähigkeiten wieder entdecken und ausleben können. Das macht nicht nur in Hinblick auf ein effektives Training Sinn, sondern vor allem auch mit dem Ziel einer intrinsischen Motivation. Auch das Thema werde ich mir noch ausführlich vornehmen.
Tipp: Die Sehschulung „Sehen lernen“ bietet zwar keine bemalten Pferde, aber zeigt die Entwicklung verschiedener Pferde über einen Zeitraum von 8 Wochen Training nach dem Longenkurs.

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