Welche Trainingsmethode für mein Pferd?

Geschrieben von Tania Konnerth

Tania ist Autorin und Pferdecoach. Sie schreibt seit vielen Jahren für Blogs und Zeitschriften, hat diverse Bücher veröffentlicht, gibt Webinare und coacht Pferd-Mensch-Paare. Sie wünscht sich vor allem, dass Pferde besser verstanden werden.

Eine Checkliste

Häufig bitten mich Pferdeleute um eine Einschätzung zu einer Trainingsmethode oder auch bei der Trainer-Auswahl um Rat oder Feedback. Das ist allerdings schwierig, denn ich kenne ja in den seltensten Fällen die lehrende Person. Und alle Trainingsmethoden kenne ich natürlich auch nicht. Weiterhin muss für mich bei so einer Einschätzung immer auch die Geschichte von Pferd und Mensch beachtet werden, um beurteilen zu können, was jeweils passend und gut sein könnte. Hier habe ich hier am Ende des Artikels mal eine Checkliste zur Selbsteinschätzung eines Angebotes für Euch zusammengestellt.

Wichtig: Hinter die schönen Worte schauen

Viele Angebote klingen toll, denn da wird mit „Harmonie und Vertrauen“ geworden, mit einem Training „für die Gesundheit des Pferdes“, mit „Erfolg“ und „Spaß“ und allem, was unsere Reiterherzen so begehren. Schreiben und behaupten kann man viel, letztlich kommt es aber immer auf die praktische Ausführung an. In der Umsetzung der kleinen und großen Versprechen liegen nämlich Welten. Und das vor allem für die Pferde.

Mein Rat ist: Schaut Euch jede Trainingsmethode und Trainer*innen immer erstmal in der praktischen Arbeit an, bevor ihr sie selbst anwendet oder jemanden an Eure Pferde lasst. Am besten vor Ort, indem Ihr bei Unterrichts- oder Beritt-Einheiten zuschaut oder einen Besucherplatz in einem Kurs bucht. Wenn das nicht möglich ist, sind Videos eine Option. Allein Fotos sind leider nur wenig aussagekräftig. Sie sind ja immer nur Momentaufnahmen und da werden nur die schönsten ausgewählt. Trainings- und Unterrichts-Videos zeigen in der Regel schon deutlich mehr. Diese aber bitte immer auch ohne Ton anschauen, denn emotionale Musik oder geschickte Worte können den Blick stark beeinflussen. Achtet hier besonders auf den Ausdruck des Pferdes.

Checkliste für eine Trainingsmethode oder die Arbeit von Ausbilder*innen

Ich habe Euch hier mal zusammengestellt, worauf ich alles achte, wenn ich mir eine Trainingsmethode oder Trainer*innen anschaue:

  • Was ist mein erster, spontaner Eindruck von dem Pferd, das ich sehe?
    • Wirkt das Pferd auf mich fröhlich und motiviert?
    • Oder eher hektisch, angespannt und gestresst?
    • Oder ist es in sich gekehrt und „nicht da“? 
    • Ist sein Gesichtsausdruck offen, interessiert und fröhlich.
    • Oder sind deutlich Stress- oder gar Schmerzhinweise zu erkennen?
  • Wie wirken die Bewegungen des Pferdes auf mich?
    • Läuft das Pferd locker und entspannt?
    • „Strahlt es“ in seinen Bewegungen?
    • Oder wirkt es verspannt und klemmig?
    • Verbessern sich die Bewegungen in einer Einheit oder verschlechtern sie sich eher?
  • Welche Ziele sind bei der jeweiligen Methode erkennbar? Wird zum Beispiel eine wirkliche Verbesserung der Laufmanier angestrebt oder geht es um Show-Effekte? Welche Ziele scheinen bei der Methode oder dem Ausbilder im Vordergrund zu stehen? Und welches Grundlagenwissen bildet die Basis?
    • Kann man zum Beispiel sehen, dass die Hinterhand des Pferdes unter den Schwerpunkt tritt, dass der Rücken aktiv ist, dass die Nase vor der Senkrechten ist und der Hals in einer locker-entspannten Manier getragen wird?
    • Oder fällt das Pferd auf die Vorhand, ist die Hinterhand nach hinten ausgestellt, hängt der Rücken, ist die Nase des Pferdes hinter der Senkrechten, kippt es auf die Schulter und dergleichen mehr?
  • Wie ist die Grundstimmung und Atmosphäre?
    • Wirkt die Atmosphäre des Trainings oder Unterrichts angenehm, freundlich und offen?
    • Oder empfinde ich etwas anderes?
    • Wenn ja, was und würde ich das für mich wollen?
  • Wenn geritten wird, welchen Eindruck macht das auf mich?
    • Sitzt die Person ausbalanciert und geschmeidig? 
    • Vermittelt sie Freude und Leichtigkeit? 
    • Oder wirkt sie eher verbissen und hart?
    • Verbessert sich zum Beispiel der Sitz oder die Einwirkung im Verlauf einer Einheit?
    • Möchte ich selbst so reiten, wie die Person/en, die ich da sehe?
  • Wie und welche Hilfen werden gegeben?
    • Wie viel Einsatz gibt es am Pferd, sprich: Werden Schenkel-, Sitz- und Zügelhilfen sichtbar gegeben?
    • Oder sind sie eher kaum wahrnehmbar? 
    • Wie reagiert das Pferd auf die Hilfen?
    • Möchte ich selbst diese Art von Hilfen in der gelehrten Weise geben?
  • Sind Hilfsmittel wie Hilfszügel, Sporen oder scharfe Gebisse im Einsatz? 
  • Wie wird mit dem Pferd umgegangen?
    • Wird das Pferd als Lebewesen behandelt oder eher als Sportgerät?
    • Wird dem Pferd gut erklärt, was gewünscht ist?
    • Wir wird reagiert, wenn das Pferd etwas anders macht, als es gewünscht ist oder wenn es Angst zeigt?
    • Wird mit Strafen gearbeitet?
    • Wird mit viel Druck gearbeitet und wie wirkt das Pferd dabei?
    • Möchte ich selbst so mit meinem Pferd umgehen, wie es dort geschieht?

Und noch zwei wichtige Fragen

Wenn Du Dich dann für eine Person oder Trainingsmethode entschieden hast, dann ist für mich die wichtiste Frage immer diese:

Was sagt Dein Pferd dazu?

Zeigt Dein Pferd Freude? Wird es „größer“? Macht es gerne mit? Ist es entspannt und aufgeschlossen? Oder hast Du einen anderen Eindruck? Wenn Dein Pferd zum Beispiel deutlich Stress oder gar Angst zeigt, es also unruhig wird und nicht zu verstehen scheint, was von ihm gewollt ist, ist der Weg oder die Person sehr wahrscheinlich nicht passend.

Und frage auch Dich:

Wie fühlt es sich für mich an, mit dieser Person oder nach der Methode zu arbeiten?

Fühlt es sich gut an im Hinblick auf das, was Du Dir im Miteinander Deines Pferdes wünscht und bringt es Euch näher? Dann kann der Weg nicht so falsch sein. Sollst Du aber Dinge tun, die Deinen Vorstellungen widersprechen und Dir ein schlechtes Gefühl geben, passt es nicht.

Lesetipps: Versteh Dein Pferd, Der Reitkurs von Wege zum Pferd, Der Longenkurs

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