So geht Vertrauenstraining

Geschrieben von Tania Konnerth

Tania ist Autorin und Pferdecoach. Sie schreibt seit vielen Jahren für Blogs und Zeitschriften, hat diverse Bücher veröffentlicht, gibt Webinare und coacht Pferd-Mensch-Paare. Sie wünscht sich vor allem, dass Pferde besser verstanden werden.

Wie Pferde kreativ werden

Ich schreibe ja immer wieder darüber, dass ich statt des herkömmlichen „Anti-Scheu-Trainings“ lieber das „Vertrauenstraining“ einsetze. Im Vertrauenstraining besteht das Ziel nicht darin, etwas am Pferd „weghaben“ zu wollen (zum Beispiel das Scheuen), sondern es geht darum, dass das Pferd Vertrauen und Selbstvertrauen entwickelt. Dazu gab es bereits diese kleine Video-Reihe von meinem Anthony zu sehen und hier in diesem Beitrag möchte ich noch einmal anhand eines anderen Pferdes verdeutlichen, worin sich dieser Ansatz vom herkömmlichen Anti-Scheu-Training unterscheidet und wie er dafür sorgt, dass Pferde ganz eigene Lösungswege entwickeln können.

Tipp: Möchtest Du wissen, wie Du für Dein Pferd ein verlässlicher Ansprechpartner bei Angst und Unsicherheit wirst und auch, wie Du selbst besser mit Deiner Angst umgehen kannst? Dann komm‘ in eines meiner Webinare.

Mucki und der Bogen

In diesem Beispiel geht es um den sechsjährigen Mucki. Der junge Wallach ist ein aufgeschlossener und aufgeweckter kleiner Kerl, der gerne gefallen will. Er ist bereits mit vielem vertraut und zeigt sich auch im Gelände mutig und unerschrocken. Gerade deshalb passt diese kleine Begebenheit so gut. zum Thema. Wir hatten einiges an Spielzeug aufgebaut und die Ponyherde frei auf den Reitplatz gelassen, so dass jedes der Pferde sich alles in Ruhe anschauen konnte. Einige waren forsch und probierten allerhand aus, andere ließen sich mit ihren Menschen darauf ein, kleine Übungen zu machen. Nun wollte Dani mit ihrem Mucki durch einen Bogen aus Poolnudeln zu gehen:

Vertrauenstraining

(Alle Fotos von Martin Paasch)

Obwohl wir alle annahmen, dass Mucki das sofort tun würde, zeigte er, dass ihm die Sache nicht ganz geheuer ist. Er reagierte nicht sichtbar ängstlich, aber er blieb vor dem Konstrukt stehen. Nun wäre es ein Leichtes gewesen, ihm ein Halfter aufzuziehen und ihn durchzuführen, aber genau das wollte Dani nicht tun. Stattdessen ging sie selbst hindurch und fragte ihn von der anderen Seite, ob er ihr folgen mag. Aber Mucki ging nicht mit. Man kann auf dem Foto schön sehen, dass er ganz auf Dani gerichtet ist, aber er bleibt ganz klar stehen:

Vertrauenstraining

Nun ist Mucki ein Pferd, das gerne genau zuschaut und von anderen lernt. Deshalb lud ich meinen Anthony ein, mit mir durch den Bogen aus Poolnudeln zu gehen, damit Mucki sehen kann, worum es geht und dass es ungefährlich ist:

Vertrauenstraining

Mucki schaute zu, aber selbst danach war ihm die Sache noch immer nicht geheuer. Auch nicht, als wir die Quer-Nudeln wegnahmen:

Vertrauenstraining

Spätestens an dieser Stelle hätten sicher viele zu einem Halfter gegriffen. Das wäre bei Mucki auch kein „Drama“ gewesen, denn Mucki vertraut Dani. Aber es hätte den Ausgang dieser kleinen Geschichte deutlich verändert. Dani entschied sich nämlich dazu, ihn mit seiner Unsicherheit anzunehmen und ihm einfach Zeit zu geben. Sie wartete auf der anderen Seite. Und dann passierte etwas Zauberhaftes: Mucki ging zwar nicht durch den Bogen, aber er fand eine eigene Lösung, um zu seiner Dani zu kommen – schaut selbst: 

Vertrauenstraining

Und weil Dani dann genau richtig reagierte – nämlich sich freute! – war Mucki danach bollestolz mit sich selbst.

Für mich ist das ein Ideal-Beispiel für Vertrauenstraining, denn so kann ein Pferd ganz wichtige Erfahrungen machen: 

  • Seine Bedenken werden achtsam wahrgenommen und dürfen sein. 
  • Es wird nicht vom Menschen gedrängelt oder gezwungen, etwas zu tun, für das es noch nicht bereit ist. 
  • Es bekommt Zeit und darf eigene Lösungen finden.

… und, nein, man muss keine Angst haben, dass Mucki auf diese Weise nie durch den Bogen gehen wird. Er wird es tun, da bin ich mir sicher, aber aus einem eigenen Antrieb heraus und nicht, weil ein Mensch für ihn entscheidet, dass er es muss. Und das ist so viel wertvoller!

Lesetipp zum Thema: Der Anti-Angst-Kurs.

4 Kommentare

  1. Das ist so so schön beschrieben, und genau so möchte ich alle meine Tiere um mich herum haben . Witzig, kreativ, sich selbst helfen könnend. Die Vorstellung, das wir – vor allem auch Hunden, die ja ständig mit uns sind, nahezu jeden Schritt vorschreiben, wann gehen wir raus, wohin, mit wem, mit wem vergesellschaften wir unsere Pferde macht mich immer etwas traurig. Klar Ist es ein Sicherheitsaspekt, das Pferd und Hund nicht dort herumlaufen sollen, wo es gefährlich wird, sich nicht mit jedem paaren sollen und auch nochtba fressen sollen, was so herumliegt. Dennoch haben wir diese Umwelt zu dem gemacht, wo so nun auch für unsere Tiere ist, denn ich ist es da mindeste, was wir tun können, unsere Tiere zu fragen, ob sie mit ins mitkommen möchten und ins auxh einmal auf ihr Tempo einstellen 7nd ihr Lösungen akzeptieren – und uns darüber freuen, auch wenn die „Übung“ in unserem Kopf ganz anders ausgesehen hat. Für diesen und viele andere Berichte und Denkanstöße liebe ich euch sehr! Liebe Grüße, Sondra

    Antworten
    • Ganz herzlichen Dank, Sondra!
      Lieber Gruß,
      Tania

      Antworten
  2. Das ist mir mit kreativen Pferden passiert:

    Die Aufsteighilfe
    Um den Pferderücken und mein Knie zu schonen habe ich mir eine Aufsteighilfe gebastelt. Sie besteht aus 3 leeren Getränkekisten die mit Kabelbindern miteinander verbunden sind. Solche Aufsteighilfen habe ich schon oft im Einsatz gesehen. Sie sind in der Herstellung einfach, leicht zu bewegen aber trotzdem genügend standsicher und hoch genug das man gar keine Steigbügel mehr benötigt.
    Damit die Pferde sich die Aufsteighilfe anschauen können habe ich sie auf dem Reitplatz platziert. Als ich nach einer Weile zurück zum Reitplatz gekommen bin, war die Hilfe umgeworfen. Kein Problem.
    Ich wollte gerade zu der Hilfe hin und sie in die Mitte stellen da läuft Anna zur Hilfe und beginnt mit den Hufen zu scharren. Es ging ganz schnell und der Vorderfuß steckte fest und Anna versucht mitsamt Aufsteighilfe am Vorderbein loszuhoppeln. Zum Glück konnte ich zu ihr hin und brauchte die Hilfe nur festhalten und Anna konnte sich selbstständig befreien.
    Ich habe dann die Hilfe genommen und bin damit zur Mitte gegangen und habe mich draufgestellt. Die Pferde haben mich in gebührendem Abstand umringt und geschaut. Nur Bella kam vor und wollte auch nach der Hilfe scharren. Da habe ich die Aktion abgebrochen, nicht das noch ein Bein in der Aufsteighilfe feststeckt.
    Am nächsten Tag bin ich mit gesatteltem Pferd zur Aufsteighilfe. Hamilio hat sich das Konstrukt ganz genau angeschaut, und abgeleckt und hat dann seinen Vorderfuß draufgestellt und die Hilfe umgeworfen. Und weiter mit dem Huf gescharrt. Ich habe die Hilfe jedes mal in Sicherheit gebracht und Hamilio musste Hinterhand weichen um dann wieder zur Hilfe zu gehen und einen neuen Versuch zu starten. Nach einer Weile konnte er entspannt neben der Hilfe stehen, aber sobald ich andeute meinen Fuß draufzustellen macht er mir das nach. Ganz eifrig. Er möchte auch mal auf einem Podest stehen. Irgendwann konnte ich die Hilfe dann zweckgebunden benutzen und ich saß oben. Pferd nur am Halfter und ein Seil. Er ist dann erst zum Tor marschiert und dann zurück zu der Aufsteighilfe die inzwischen umgefallen war und hat wieder mit dem Huf gescharrt. Ich hatte Bange das das Plastik bricht und ihm das Bein schneidet, also bin ich wieder runter und habe die Hilfe dauerhaft vom Platz entfernt.
    Am nächsten Tag habe ich einen Maurerbottich als Aufstieghilfe verwendet. Hier das gleiche Spiel, Pferd darf sich den Bottich erstmal anschauen. Er wirft den Bottich um reinigt den Bottich von innen, ich stelle den Bottich wieder auf den Rand und Pferd scharrt mit dem Huf, aber derart das der Bottich zwischen seinen Vorderbeinen steht, und beide Hufe auf dem Rand des Bottichs fest stehen. Pferd schaut mich an: „Noch fragen?“ Ich musste beide Vorderbeine nacheinander anheben um den Bottich zu befreien. Die ganze Situation war so lustig das ich laut lachen musste. Nach einer kleinen Weile konnte ich die Hilfe platzieren und drauf stehen und sie benutzen.
    Demnächst sollte ich mal versuchen was passiert wenn Hamilio die Füße auf ein Podest stellen soll, ober er sich dann wohl seitlich daneben platziert damit ich gut aufsteigen kann?

    Antworten
    • Haha, ja, das kann passieren, wenn man sie eigene Ideen entwickeln lässt 🙂 Köstlich.

      Ganz liebe Grüße!
      Tania

      Antworten

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