Mein Pferd steht beim Aufsteigen nicht still
In dieser Kategorie widme ich mich ganz typischen Problemen mit Pferden, zu denen mich immer mal wieder Mails erreichen oder die beobachte, dieses Mal geht es um das Stillstehen beim Aufsteigen. Besonders soll es hier um Probleme gehen, bei denen herkömmlicherweise oft Druck oder Strafen angewendet werden. Gemäß des Mottos von „Wege zum Pferd“ möchte ich gemeinsam mit Euch überlegen, wie es anders gehen kann. Wenn Ihr auch so ein typisches Problem habt, schreibt mir gerne an tania@wege-zum-pferd.de
Beim Reiten gibt es ein Problem, das zwar viele haben, über das aber wenig geschrieben oder gesprochen wird: und zwar geht es um das ruhige Stehenbleiben an der Aufstieghilfe. In unserem Reitkurs „Mit dem Herzen voran“ gibt es zu diesem Thema ein ganzes Kapitel, denn für uns ist ein entspanntes und ruhiges Aufsteigen unerlässlich für das pferdefreundliche Reiten. Meist aber sieht man leider noch immer das:
- Pferde, die an der Aufstieghilfe nicht stillstehen oder erst gar nicht hingehen wollen,
- Reiter die ungehalten werden und schimpfen,
- Leute, die das Pferd festhalten, damit überhaupt aufgestiegen werden kann.
Für viele ist es „normal“, dass der Anfang der Reitstunde so beginnt, aber genau so sollte und so muss es auch nicht sein.
Beim Aufsteigen hat das Pferd die Möglichkeit, uns sehr klar zu zeigen, ob es geritten werden möchte oder nicht. Es ist an uns, das Signal unseres Pferdes wahr und ernst zu nehmen. Ein Pferd, das beim Aufsteigen nicht still steht, ist vor allem eines: eine Chance, wirklich pferdefreundlich zu handeln. Aus meiner Sicht ist es falsch und unfair, das Pferd dafür zu bestrafen oder zu versuchen, trotzdem irgendwie in den Sattel zu kommen, „weil man dem Pferd das nicht durchgehen lassen darf“. Pferde können nicht mit Worten reden, aber sie sprechen durch ihr Verhalten. Damit zeigen sie uns oft sehr klar, wenn etwas nicht stimmt. Da für ein gutes und pferdefreundliches Reiten Kooperation unerlässlich ist, müssen wir uns hier konstruktiv mit der Aussage des Pferdes auseinandersetzen. Wenn wir sie hingegen ignorieren oder übergehen, handeln wir nicht pferdegerecht.
Mögliche Ursachen erkennen
Ein Pferd, das nicht an eine Aufstieghilfe treten will oder dort unruhig und zappelig wird, macht deutlich, dass ihm das Aufsteigen Stress bereitet. Das kann ganz unterschiedliche Gründe haben, wie zum Beispiel diese:
- Das Pferd hat nie auf eine positive Weise gelernt, ruhig und entspannt an der Aufstieghilfe zu stehen.
- Das Aufsteigen selbst ist unangenehm für das Pferd, zum Beispiel wenn ohne Aufstieghilfe aufgestiegen wird, wenn die Zügel zu fest aufgenommen werden, wenn der Mensch das Pferd unachtsam mit den Füßen bufft oder sich zu hart und schwer in den Sattel plumpsen lässt.
- Das Pferd nimmt ein unter Umständen unbewusstes Gefühl wie Unsicherheit oder Angst beim Menschen wahr oder spürt Wut oder Aggression und reagiert darauf.
- Das Pferd verbindet Ungutes mit einem Menschen auf seinem Rücken, wie zum Beispiel ein zu grobes Reiten oder ein zu hartes Training, zu viel Gewicht, einen unpassenden Sattel oder Ähnliches.
- Das Pferd ist abgelenkt oder wegen irgendetwas besorgt, es ist hungrig oder vielleicht nicht auf dem rechten Posten oder es will an diesem Tag einfach lieber nicht geritten werden.
Je nach Ursache gilt es dann gegebenenfalls, zunächst auf das Reiten zu verzichten und gemeinsam an dem Problem zu arbeiten.
Lesetipp dazu: Versteh Dein Pferd
Das Aufsteigen als Lektion
Wenn ich ein Pferd reiten möchte, dann soll es damit einverstanden sein. Ich möchte mich eingeladen fühlen, auf seinen Rücken zu steigen und es nicht erzwingen. Deshalb steige ich nicht auf ein Pferd, dass mich nicht ruhig und entspannt aufsteigen lässt.
Ich sehe das Aufsteigen bereits als eine „Lektion“, die ich mir gemeinsam mit dem Pferd erarbeite. Ich übe das zunächst frei. Damit stelle ich sicher, dass ich das Pferd nicht unbewusst dazu bringe, stehen zu bleiben, obwohl es eigentlich gar nicht will. Viele Pferde, die gerne zeigen würden, dass sie nicht möchten, dass der Reiter aufsteigt, trauen sich genau das gar nicht mehr, da sie grob dazu gebracht wurden, still zu stehen.
Hier seht Ihr eine kleine Sequenz mit meinem Anthony, wie ich das freie Aufsteigen angehe und auch immer wieder übe, oft auch ohne dann tatsächlich zu reiten:
Zunächst geht es dabei nur um ein ruhiges Stehen an der Aufstieghilfe. Erst wenn das der Fall ist, probiere ich, ob ich auch aufsteigen darf. Anthony kann mir jederzeit zeigen, ob er einverstanden ist, dass ich mich auf seinen Rücken setze oder nicht. Manchmal tut er das schon, wenn ich nur an der Aufstieghilfe stehe. An anderen Tagen bleibt er vollkommen selbstverständlich stehen und ist deutlich einverstanden. Da es auch Tage gibt, an denen er sich die Sache erst überlegen muss, frage ich immer ein paar Mal freundlich nach, wenn er nicht stehen bleibt und zum Beispiel rückwärts geht oder seitwärts tritt.
Auch wenn ich ein anderes Pferd reite, steige ich nur auf, wenn es damit einverstanden ist. Hier seht Ihr Skjöran, der meiner Stallbesitzerin gehört und den ich für unseren Reitkurs reiten durfte:
Wie Ihr sehen könnt, nehme ich die Zügel zum Aufsteigen nicht auf, sondern lasse sie locker auf dem Hals liegen. Ich möchte ehrlich wissen, ob das Pferd ruhig stehen bleibt oder eben nicht. Mir dieses Ja zu Beginn einer Reiteinheit abzuholen, gehört für mich so selbstverständlich dazu, wie man beim Tanzen einen Partner fragt und nicht einfach auf die Tanzfläche zerrt. Äußert mein Pferd Bedenken oder Abwehr, dann schaue ich, was nötig ist, damit mich mein Pferd gerne auf seinen Rücken lässt.
Fazit
Für mich gilt: Wir sollten immer eine klare Einwilligung von unserem Pferd zum Aufsteigen bekommen und es nicht erzwingen wollen. Für mich gilt:
Wenn ein Pferd nicht möchte,
dass ich aufsteige, dann lasse ich es und
frage mich stattdessen, warum es das wohl nicht will.
(Und nein, ich habe nicht ein einziges Mal die Erfahrung gemacht, dass Pferde so etwas „ausnutzen“. Ganz im Gegenteil: Pferde, die die Erfahrung machen, dass man auf sie und ihre Bedürfnisse eingeht, sind viel motivierter und freudvoller dabei, etwas für uns zu tun.)
Meins Stute parkt normalerweise selbstständig an der Aufstieghilfe ein und steht beim Aufsitzen zu 99 % still. Tut sie das nicht, weiß ich, das etwas nicht stimmt. In den allermeisten Fällen drückt der Sattel hinter der Schulter, was beim Aufsitzen einfach weh tut.
Es hat leider lange gedauert, bis ich gelernt hatte, dieses Verhalten richtig zu deuten und das tut mir heute noch leid. Ich kann nur an alle appellieren, die spezifischen Kräfte, die beim Aufsitzen wirken, genau unter die Lupe zu nehmen und zu schauen, was daran dem Pferd unangenehm sein könnte.
Nathalie ist meine junge Haflingerstute. Nathalie möchte immer gefallen. Ist allerdings ein „perpetuum mobile“. Immer in Bewegung. Und – vielleicht ein bisschen haflingertypisch – dabei ein kleiner Tollpatsch.
Sie ist gerade erst angeritten. Sehr, sehr vorsichtig. Sie hat Zeit. Wir haben Zeit. Ein ganzes Pferdeleben. Soweit ich Nathalie lesen kann, findet sie geritten werden nicht schlimm. Mein Goldkäfer ist sehr engagiert dabei. Immer. Feintuning ist noch nicht vorhanden. Sie walzt mit Begeisterung dahin. Mit mir oben drauf. Auf die Richtung kommt´s ihr nicht so an. Ihre so unbedarfte Bereitschaft Mitzumachen blendet meine Seele in solchen Momenten derart, dass ich mich ihrer Ansicht anschließe… und wir walzen eben voran. Das kleine Perpetuum Mobile und ich.
Ich habe ihr weit vorm Geritten-werden die Aufsteighilfe gezeigt. Da sie klein genug ist, konnte ich ihr sehr leicht ein Leckerli über den Rücken reichen, wenn ich oben stand. So dass sie´s auf der mir abgewandten Seite nehmen konnte.
Fressmaschinen wie Haflinger es nun mal sind, hat sie das sofort herausgefunden. Sie nimmt sofort den Hals rum, wie Skjöran auf dem letzten Bild. Nur tut sie das manchmal so extrem und mit Horrido, dass mir der – passende – Sattel auf dem tonnenartigen Ponyrücken auf der anderen Seite entgegen kommt.
Obwohl ihr das Aufsteigen in keiner Wiese unangenehm ist und sie eigentlich – wegen Leckerli – drauf brennt an die Aufsteighilfe zu gehen, muss ich einfach Zeit einplanen. Zeit um sie so zu dirigieren, ihr die nötige Ruhe zu geben, ihren Eifer in die Bahnen zu lenken, dass ich weder ihre positive Einstellung zerstöre, noch mitsamt Sattel auf der Kante der Aufsteighilfe lande.
Wie geplant wir auch vorgehen mögen, ich habe gelernt, dass meine Ponys mir immer wieder neue Aufgaben stellen. Die ich lösen muss. Sie sind kleine Sudokus.
Viele Grüße
Stanley, Nathalie und Andrea
Probleme beim Aufsteigen entstehen auch durch unpassende Sättel und Schmerzen durch z.B. Kissing Spines. Mein Pferd habe ich mit einer Trageerschöpfung übernommen, ihn über 3 Jahre vom Boden trainiert, mit Clickertraining angefangen und dann wollte ich wieder beginnen ihn zu reiten. Er ist beim Aufsteigen nur einen Schritt zur Seite gegangen und hat mich nach ein paar Versuchen aufsteigen lassen, er ist wirklich ein sehr liebes Pferd. Die Röntgenbilder waren eindeutig,er ist nicht mehr reitbar. Da laut einer Studie sehr viele Pferde Kissing Spines haben, sollte man daran unbedingt denken.
Das Pferd meiner Freundin blieb beim Aufsteigen nie stehen. Damals kannten wir uns noch nicht und sie fragte mich was ich anders mache, da mein sanfter Riese immer steht wie eine 1 – egal wo ich ihn zum Aufsteigen parke.
Ich sagte ihr, dass ihr Pferd nur das tut, was sie von ihm erwartet. Sie denkt, der bleibt eh nicht stehen, also tut er genau DAS.
Sie glaubte mich erst nicht. Ich trat an ihr Pferd heran, ging ein paar Runden mit ihm über den Hof, stellte ihn an die Mauer, die perfekt zum Aufsteigen ist, und konnte problemlos in den Sattel steigen. Sie sah mich mit großen Augen an und hat sehr schnell gelernt, die richtigen Gedanken zu denken. Seit dem steht er sowohl beim Aufsteigen still, als auch bei der Dressurarbeit.