Warum funktioniert das nicht?

Geschrieben von Tania Konnerth

Tania ist Autorin und Pferdecoach. Sie schreibt seit vielen Jahren für Blogs und Zeitschriften, hat diverse Bücher veröffentlicht, gibt Webinare und coacht Pferd-Mensch-Paare. Sie wünscht sich vor allem, dass Pferde besser verstanden werden.

… und wofür diese Frage steht

Sehr oft ist im Training oder Umgang mit Pferden die folgende Frage zu hören: „Warum funktioniert das denn nur nicht?“ Vielleicht kennst Du genau diese Frage auch von Dir selbst. Ich habe mich das jedenfalls früher oft gefragt, wenn mir ein Pferd beim Longieren davonstürmte, ich keinen vernünftigen Zirkel hinbekam oder mein Pferd beim Hufeauskratzen nicht still stehen wollte. Und warum auch nicht, ist doch nichts dabei, oder?

Tatsächlich kann Sprache ziemlich entlarvend sein. In dieser Formulierung steckt zum Beispiel eine Vorannahme, die für viel Leid sorgt: Etwas, oder genauer gesagt, jemand soll funktionieren – nämlich das Pferd (… und wir selbst auch):

  • Das Pferd soll tun, was wir wollen (auch wenn wir selbst gar nicht genau wissen, was oder wie).
  • Es soll unsere Hilfen verstehen und annehmen (egal, wie unverständlich wir sie vielleicht auch geben, weil sie uns niemand sinnvoll vermittelt hat).
  • Es soll seine eigenen Interessen und Bedürfnisse außer Acht lassen und sich auf uns und unsere Forderungen konzentrieren (egal, wie stark es gerade mit etwas anderem beschäftigt ist oder wir es sind).
  • Es soll können, was wir erwarten (auch wenn wir es vielleicht gar nicht genug darauf vorbereitet haben oder es selbst nicht mal wirklich verstehen).
  • Und es soll sich natürlich auch an das erinnern können, was wir mit ihm vor langer Zeit gemacht haben, schließlich kann es das ja.

… und all das bitte immer motiviert, ohne Widerspruch, punktgenau und sofort.

Das ist schon ganz schön viel verlangt, oder nicht? (Tja, und die Tatsache, dass wir oft genauso mit uns selbst umgehen, wird manchmal noch als Rechtfertigung genutzt, als ob es das besser machen würde …)

Soll ein Pferd wirklich funktionieren? Oder wir?

Das Verb „funktionieren“ ist im Zusammenhang mit Pferden (aber letztlich allen Lebewesen, also auch uns selbst) deshalb so entlarvend, weil es uns einmal mehr direkt zu unseren oft überzogenen, menschlichen Kontroll- und Erwartungsansprüche führt:

  • Wir übersehen, dass ein Pferd kein Fahrrad ist und dass wir auch selbst keine Maschinen sind.
  • Wir vergessen, dass wir heute vielleicht seltsam auf dem Pferd sitzen, weil wir verspannt sind oder weil wir Muskelkater haben.
  • Wir nehmen nicht wahr, dass unser Pferd heute vielleicht ganz andere Dinge im Kopf hat, als Kringel in einem Sandviereck zu laufen (und wir auch).
  • Wir machen uns nicht klar, dass wir von unserem Pferd etwas verlangen, was es noch nicht kann (oder was wir auch selbst in Bezug auf die Hilfen oder das Ziel nicht gut genug können).
  • Und vor allem lassen wir uns von Angeboten verlocken, die uns versprechen, unser Pferd zum Funktionieren zu bringen – leider oft, ohne das Wie zu hinterfragen …

Statt einem „Funktioniert nicht!“ lieber ein: „Was brauchst Du?“

Natürlich muss man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, aber dennoch können wir ruhig hin und wieder einmal reflektieren, was unsere mal eben so dahingesagten Sätze eigentlich für eine Wirkung im Kern haben. Und ob wir die vielleicht ändern möchten.

Ändern wir doch die Frage „Warum funktioniert das nicht?“ versuchsweise doch mal in so etwas, wie:

Was kann ich jetzt in diesem Moment für Dich tun, damit es Dir mit mir gut geht?
Was brauchst Du, damit Du mich vielleicht ein bisschen besser verstehen kannst
und wir uns die Sache zusammen mit Freude erarbeiten können?
Oder was können wir vielleicht als ersten kleineren Schritt oder auch ersatzweise zusammen tun?

Meiner Erfahrung nach ändert sich dann etwas ganz Grundsätzliches: Wir kommen Stück für Stück heraus aus der oft so unangemessenen Erwartungshaltung, die uns so viel fordern lässt (von unseren Pferden, aber auch von uns selbst). Stattdessen kommen wir in ein Miteinander und das ist viel schöner! Viel zu oft sehen wir nur die Option, dass wir entweder genau das erreichen, was wir wollen, oder eben daran scheitern und sind entsprechend frustriert. Aber es gibt ganz viele andere Möglichkeiten, die oft viel besser sind (ja, sogar auch in Bezug auf Trainingsziele). Manchmal braucht es nur einen anderen Weg und oft einfach nur Zeit.

Und weil das Argument immer wieder kommt: Es geht hier ausdrücklich nicht um „Notfälle“. Wenn es um Leben und Tod geht, gelten grundsätzlich andere Regeln – aber Gottseidank geht es das ja nur sehr selten.

Lesetipps: Versteh Dein Pferd + Mit dem Herzen voran – der Reitkurs

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