– Wichtiges Wissen für mehr Pferdewohl
Immer wieder erreichen mich sorgenvolle Anfragen zum Thema „Trageerschöpfung“. Schaut man sich im Netz um, so scheint es, als wäre davon fast jedes Pferd betroffen. Ist das wirklich so? Lies weiter, um zu erfahren, warum es so wichtig ist, dass Du als Pferdebesitzer*innen zu diesem Thema gut uninformiert sein solltest.
Wer sich über Trageerschöpfung informieren will …
… hat es nicht leicht, denn das Thema polarisiert, vor allem in den sozialen Medien. Auf der einen Seite gibt es viele (z.T. selbstberufene) Aufklärer, die mal mehr, mal weniger wirtschaftliche Interessen verfolgen. Auf der anderen Seite all jene, die „sich nicht schon wieder mit einem Modeproblem befassen wollen“ und die Sache herunterspielen. Wie immer sind Besonnenheit und Angemessenheit angeraten und ein solides Grundwissen nötig.
Zunächst ergibt sich die Problematik schlicht und einfach aus einer Tatsache, die allgemein bekannt ist. Nämlich, dass Pferde naturgemäß nicht dafür gemacht sind, zusätzliches Gewicht auf dem Rücken zu tragen. Leider hat dieses Wissen bisher nur in Teilbereichen dazu geführt, Ausbildung und Training entsprechend zu gestalten. Zum Großteil feiern leider nach wie vor tierschutzrelevante Trainingsmethoden wie Rollkur & Co sowie fragewürdige Zuchtziele Erfolge. Und das führt auch im Freizeitsport zu falschen Vorbildern und verzerrten Wahrnehmungen.
In Bezug auf das Pferdewohl ist deshalb ein klarer Blick sehr wichtig – besonders für aktiv Lehrende, aber auch für alle anderen, die mit Pferden zu tun haben. Nun haben leider gerade Laien, die mit ihrem Pferd und dem Reiten ein Hobby pflegen, oft eine Hemmschwelle, sich mit komplexen gesundheitlichen Fragen zu befassen. Doch da wir alle Pferde zu unserem Vergnügen nutzen, liegt es in unserer Verantwortung, sich zumindest ein hilfreiches Basiswissen anzueignen. Und das ist möglich!
Fundierte Informationen zur Trageerschöpfung
Gerade weil es nicht immer leicht ist, wirklich gute Informationen zu finden, möchte ich Euch dieses Buch ans Herz legen: „Trageeschöpfung beim Pferd“ von Dr. Sandra Ruzicka, Müller-Rüschlikon, 2024, ISBN: 978-3-275-02283-0, 26,- EUR (gebunden mit vielen farbigen Abbildungen)
Ich habe selten eine so klare Buchempfehlung aussprechen können, wie für diesen Titel. Hier wird fachlich fundiertes Wissen wunderbar anschaulich und verständlich vermittelt. So bekommt jede*r die Möglichkeit, zu verstehen,
- was eine Trageerschöpfung bei Pferden genau ist,
- was alles zu ihr führen kann,
- ob und inwieweit das eigene Pferd betroffen ist und
- was wir tun können, um unserem Pferd aus ihr herauszuhelfen.
Sandra Ruzicka schreibt gleich im Vorwort, dass ihr Buch nicht als erhobener Zeigefinger zu verstehen ist und genau das macht mir das Werk so sympathisch. Es gelingt der Autorin exzellent, weder Abwehrmechanismen noch ein Schulddrama auszulösen, sondern statt dessen Interesse zu wecken. Damit schafft sie einen unschätzbaren Beitrag für mehr Pferdewohl.
Selbstdiagnose „Trageerschöpfung“
Wie so oft geschieht auch bei diesem Thema, dass vorschnell (Laien-)Diagnosen getroffen werden. Da wird mit einem schnellen Blick auf ein Pferd oder gar auf ein womöglich zu dunkles oder verzerrtes Foto eine Trageerschöpfung bejaht oder verneint, obwohl hier deutlich mehr dazu gehört. Allein eine der vielen, vielen Grafiken von Miriam Grau aus dem Buch (mit freundlicher Erlaubnis des Verlags) zeigt, wie viele Bereiche des Pferdekörpers Anhaltspunkte geben. Ich habe dieses Bild für den Artikel ausgewählt, um hoffentlich neugierig zu machen, denn es lohnt sich wirklich, Sandra Ruzickas Ausführungen zu lesen.

Trageerschöpfung ist menschengemacht
Wer es ernst meint in Sachen Pferdewohl, muss in den Spiegel schauen. Denn der unbequeme Teil an diesem Thema ist der, dass eine Trageerschöpfung menschengemacht ist. Sie resultiert aus unseren Nutzungsansprüchen und daraus folgenden, vielfältigen Entscheidungen über Zucht, Haltung, Ausbildung, Training und Zubehör. Über all das klärt Sandra Ruzicka unaufgeregt-sachlich und dennoch eindringlich auf. Und sie zeigt auch, dass wir viele Möglichkeiten haben, Pferden aus der Trageerschöpfung herauszuhelfen.
Ausbildung und Training dürfen Pferde nicht länger in eine Position zwingen, wie sie zum Beispiel auf dem folgenden Bild zu sehen ist. Genau das (und noch Schlimmeres) ist aber nach wie vor auf sehr, sehr vielen Reitplätzen „ganz normal“.

Sandra Ruzicka schreibt dazu: „Wird Bewegung auf einzelne Merkmale des Körpers reduziert, zwingt man Pferde in falsche Abläufe. Eine senkrechte Nasenlinie allein stellt noch lange keine Versammlung dar und „Kopf tief“ ist auch leider nicht gleichbedeutend mit „Rücken hoch“. Viele Reiter denken sogar, sie würden ihren Pferden mit dieser Körperhaltung etwas Gutes tun.“ Und genau hier fehlt oft schlicht und einfach essentielles Wissen!
Das Thema ist komplex
Komplexität anzuerkennen, spielt für mich eine große Rolle bei allem, was wir mit Pferden tun. Und genau das ist auch ein roter Faden in diesem Buch. Die Autorin verliert über das gesamte Buch hinweg über nie den Blick für das Gesamtwesen Pferd. Oft steht bei Gesundheitsthemen allein der Körper im Fokus. Hier aber wird sehr einfühlsam dargestellt, wie wichtig es ist, viel mehr wahrzunehmen und eigenes Tun zu hinterfragen. Erst wenn wir bereit sind, nicht nur herkömmlichen Methoden zu folgen, weil es so einfach ist, sondern ein Bewusstsein über die Wirkung auf unser Pferd – Körper und Psyche! – zu bekommen, können wir unser Tun konstruktiv hinterfragen. Dieses wichtige Buch hilft dabei sehr.
Es geht auch anders!
Der erste Blogbeitrag zum Thema „Trageerschöpfung“ hier bei „Wege zum Pferd“ erschien schon 2011. Bereits damals war klar, dass es vor allem falsche Ausbildungs- und Trainingsansätze Pferden zusetzen. Aber es gibt inzwischen viele Ansätze, die zeigen, wie es anderes geht!
Tipp: Zum Beispiel haben Babette Teschen und ich mit dem Longenkurs einen gut umsetzbaren Ausbildungsweg aufgezeigt, der inzwischen breit von Physiotherapeuten empfohlen wird. Mit meinem Freiraum-Training zeige ich dann noch einen weiteren Weg auf, Pferden zu ermöglichen, eine gute Laufmanier in Selbsthaltung zu entwickeln. Ein inneres Ja, Motivation und die Rückeroberung des eigenen Körpers sind ein Schlüssel für gesunde Bewegungen. Da beide Ansätze durchgehend die Psyche des Pferdes einbeziehen, beugen sie ganzheitlich einer Trageerschöpfung vor und unterstützen betroffene Pferd, sie zu überwinden.
Entscheidend ist, dass wir alle als Reiter*innen und Pferdebesitzer*innen Herkömmliches kritisch hinterfragen und mutig pferdefreundliche Alternativen fordern. Fundiertes Wissen hilft dabei.
Lesetipp: In diesem Blogbeitrag geht es um allgemeine Erschöpfung bei Pferden.

Deiner Buchempfehlung, liebe Tania, können wir uns nur anschliessen. Wir sind über einen Onlinevortrag auf Dr. Ruzicka und ihr Buch aufmerksam geworden. Das überaus komplexe Thema ist mit den super anschaulichen Illustrationen so nachvollziehbar und verständlich aufbereitet, wie es nur möglich ist. Mir war nicht bewusst, wie viele Faktoren in die Problematik hineinspielen. Dieser ganzheitliche Blick auf die Thematik überzeugt mich total. Ich würde sagen: Pflichtlektüre für alle, die Pferdewohl ernst nehmen wollen.
Genau so sehe ich das auch!
Herzlichen Dank, Monika,
Tania
Hallo liebe Tanja!
Das Thema wird – wie du schreibst- gern von leider oft nur halbwissenden Laien vorschnell aufgegriffen, ich erlebe das immer häufiger! Wollen sich die Menschen vielleicht einen Anstrich von Kompetenz geben? Keine Ahnung… Ich hab auch dieses Buch zu Hilfe genommen und bin ergänzend in den Videos/ Videoanleitungen von Karin Kattwinkel unterwegs, die sehr viel praktische Unterstützung dazu anbieten.
Und dann möchte ich mich bei dir für die Entwicklung des „Freiraumtrainings“ bedanken! Für mich ist das irgendwie die Absolution dafür, wie ich mit meinen Pferden umgehe: Ganz tief innen hab ich immer gedacht, dass ich zu Heiteitei und nachgiebig bin – aber jetzt fange ich wirklich an dazu zu stehen, dass ich mich nicht „durchsetze“ und dafür sorge, dass meine Pferde auch mitmachen dürfen. Einiges hab ich schon vor dem Erwerb des Kurses so gemacht (bin ein totaler Fan von Marc Lubetzkis Masterclass!) und gaaaanz viel hab ich nun aus deinem Kurs gelernt! Das Wichtigste, was mir der Kurs gebracht hat, ist eine unglaublich neue Motivation und Freude an meinen Jungs!! Vielen, vielen Dank und ich wünsche dir und allen Pferden, dass du weiterhin so wunderbare Inspirationen, Anleitungen und Ermutigungen für uns Pferdemenschen hast und dass immer mehr sich damit identifizieren und es auch weitertragen!
Vilele liebe Grüße von Anne Te und ihren Jungs
Liebe Anne,
herzlichen Dank für Deinen Kommentar und das tolle Feedback. Ich freu mich sehr, dass Dich das Freiraum-Training so gut unterstützt. Und „mehr Freude mit den Pferden“ ist tatsächlich eines meiner Hauptanliegen 🧡
Alles Gute für Dich und Deine Jungs,
Tania
Ich habe schon vor JAHRZEHNTEN die Notwendigkeit des BAUCHHEBERS nach dem Reiten von LTJ & UB gelernt, sah ihn aber noch in keiner “ normalen“ reitschule…
Ja, leider wird viel wichtiges Wissen viel zu wenig umgesetzt… – gerade Reitschulen müssen auch aus meiner Sicht in Sachen Pferedewohl sehr umdenken.
Lieber Gruß,
Tania