Flexibel und kreativ!
Mein Anthony gehört zu den Pferden, deren Interesse an gemeinsamen Aktivitäten meist recht schnell nachlässt und manchmal auch erst gar nicht wirklich da ist. Für mich ist es deshalb inzwischen ganz normal, unsere Trainingseinheiten und gemeinsamen Aktivitäten immer sehr flexibel auf ihn auszurichten, um ihn so zu beschäftigen, dass die Sache nicht zäh und doof wird. Ich nehme mir zum Beispiel erst gar nicht mehr so etwas vor wie „30 Minuten Longentraining“ oder „eine Reitstunde“. Vielmehr überlege ich mir ein paar Optionen und schaue dann, was an diesem Tag sinnvoll und möglich ist. Und weil ich glaube, dass vielen Pferden solche Flexibilität ganz gut gefällt, gerade weil Trainingseinheiten herkömmlicherweise doch oft etwas zu streng durchgezogen werden, zeige ich Euch hier einmal an einem Beispiel-Tag, wie das aussehen kann.
Das Beste zuerst
Inzwischen beginne ich alle Trainingseinheiten immer mit einer kleinen Futtergabe. Ja, genau, ich fütterte, bevor ich überhaupt etwas mit ihm anfange, einfach weil er sich darüber freut und Freude immer ein guter Startpunkt ist. Er bekommt zwei Handvoll Futter und eine Möhre oder Banane in seine lila Futterschüssel entweder am Anbinder oder auf den Reitplatz gestellt und ist happy 🙂
Die Stimmung erspüren
Beim Putzen spüre ich dann schon mal ein bisschen in unsere Stimmung. Wenn ich Glück habe, finde ich eine gute Kratzstelle, so wie an diesem Tag:
An eher unguten Tagen kann es auch sein, dass ich entscheide, nichts weiter zu machen, sondern ihn zurück zu seinen Kumpels zu bringen.
Ausprobieren, was geht
Wenn nichts dagegen spricht, probiere ich aus, was wir Schönes gemeinsam machen können. Anthony liebt es, aufs Podest zu klettern, manchmal geht er sogar von ganz allein hin und klettert rauf. Über diese Art der Eigeninitiative freue ich mich riesig! An diesem Tag lud ich ihn dazu mit dem von ihm sehr geschätzten Targetstick ein:
Dann wollte ich ihn gerne ein bisschen an der Longe laufen lassen, da er vor einigen Tagen hinten etwas kurz trat. Ich nutzte dafür den Targetstick zur Motivation. Auch wenn das Hafilein nicht übermäßig begeistert war, machte er brav mit, und es wurde eine nette, kurze Einheit:
Er lief schon wieder besser, aber ich beschloss, trotzdem noch ein kleines Massage- und Dehnübungs-Programm anzuschließen, das ihm recht gut gefiel:
Dann hatte er genug und ging ein Stück weg – für mich das Zeichen, ihn zurück zu den anderen zu bringen.
Wichtig: nur einladen, nicht einfordern
Ich habe gelernt, dass unser Zusammensein sehr viel schöner ist, wenn ich Anthony einlade und nicht einfach bestimme. Einladen heißt, dass das Pferd auch „Nein, danke!“ sagen kann und ich es akzeptiere und nicht, wie es leider immer wieder zu sehen ist, es dann trotzdem einfordere.
Das kleine Programm von diesem Beispiel-Tag soll nur eine Anregung sein und bitte nicht als „Konzept“ verstanden werden. Jedes Pferd ist anders und selbst mit dem eigenen Pferd kann jeder Tag anders sein. Manchmal sind viele kleine Dinge sinnvoll, manchmal ist weniger mehr. Bei uns gibt es auch Tage, an denen es beim Füttern und Putzen bleibt, oft machen wir auch nur eine Sache und die dann je nach Stimmung mal länger und mal kürzer. Manchmal bewährt es sich auch, Anthony nach einer kurzen Einheit zurück in die Herde zu bringen, ein bisschen zu warten und ihn für eine zweite kleine Einheit nochmal zu holen. Der Punkt ist: Wir entscheiden gemeinsam jedes Mal neu, was gerade gut ist und was nicht.
Die freie Wahl für kreative Trainingseinheiten
Ich finde es toll, dass es so wunderbar viele Möglichkeiten gibt, mit denen sich Trainingseinheiten lebendig und abwechslungsreich gestalten lassen – und das nicht nur für solche „speziellen Kandidaten“ wie meinen Anthony ;-). Aber Achtung: Es gibt auch Pferde, die zu viele verschiedenen Aktivitäten überfordern und die es deshalb lieber verlässlich-überschaubar mögen. Hier müsst Ihr einfach herausfinden, was für ein Typ Euer Pferd ist.
Zur Inspiration noch eine spontane Sammlung, sicher fällt Euch auch noch was ein?
- Longieren
- Spiele
- Reiten
- Vertrauenstraining
- gemeinsames Wandern in der Bahn
- gesundheitsorientierte Übungen, z.B. mit Balance-Pads
- Arbeit an der Hand
- Massagen
- Grasen lassen
- Freiarbeit
- Führübungen
- Wippentraining
- Spazierengehen
- Fahren vom Boden
- mit einem Kumpel toben lassen
- Stangentraining
- Ausreiten
- Freispringen
- Medical Training
- und … und … und…
Und hier gibt es noch eine Checkliste, die dabei hilft, immer das Pferd beim Training im Blick zu behalten.
Liebe Tania,
genauso machen wir es auch :). Bei uns beginnt es aber mit dem Kraulen, danach gibts essen :D.
Ergänzen würde ich noch Hängertraining.
Klingt toll und prima Ergänzung!
Tania
Hallo,
ich finde das alles sehr schön. Auch wir überlegen uns Dinge und wenn sie nicht so wahnsinnig viel Lust zu einer Sache hat, machen wir es so dass wir diese Einheit sehr kurz mit gutem Ergebnis gestalten. Also z. B. spanischer Schritt 2 Schritte mit schönem Bein und fertig. Manchmal machen wir noch was anderes oder eben auch nicht. Wenn ich ihr die Entscheidung grundsätzlich überlassen würde dann würde sie an den Rand stellen und essen. LG
Ja, einzelne Elemente sehr kurz zu halten, hat sich bei Anthony auch bewährt! Immer öfter geschieht es inzwischen, dass er selbst dann sogar weitermachen will 🙂
Tania
Das würde ich auch gerne so handhaben und mein Fjordi hat meistens auch zu nichts Lust, aber krankheitsbedingt (PSSM2) und figurbetont sollte ich ihn täglich bewegen. Das macht mir schon einen gewissen Druck. Ich versuche aber immer ein paar Zirkustricks, die er liebt, in das Training einzubauen, an Lieblingsstellen zu kratzen und ihn das eine oder andere Leckerli erarbeiten zu lassen.
Das Problem ist, dass wenn es Dir Druck macht, auch das Pferd Druck bekommt. Ist ja klar: Weil es „sein muss“, setzen wir es durch. Sicher ist es manchmal nötig, aber als Dauerlösung wird das leider nicht zu der freudvollen und eigenmotivierten Bewegung führen, die wir uns doch wünschen. Die Psyche muss einfach einfach mitmachen, sonst wird es Frust – das gilt für Menschen und eben auch für Tiere.
Herzlich,
Tania
Sehr schön geschrieben. Ich finde das Einladen so wichtig statt immer nur was einzufordern. Ich mache, wenn ich in den Stal komme immer erst die Stallarbeit damit ich danach ohne Zeitdruck mit Raija arbeiten kann. Raija hat sich angewöhnt in der Zeit Heu zu fressen. Bin ich mit der Stallarbeit fertig frage ich Raija, ob wir anfangen können. Wenn sie nein sagt, setze ich mich einfach dazu und warte bis sie ja sagt. Das dauert zwischen 2-20 Minuten.Ist für mich aber O.K., weil ich weiß, dass sie dann auch wirklich mit mir zusammen was machen möchte.
Das klingt ganz wundervoll, Berit!
Herzlich,
Tania