Warum ein anderer Ansatz für mich sinnvoller ist
In meinen Webinaren zu Beschwichtigung und Stress bei Pferden werde ich häufig danach gefragt, mit welchen Signalen wir selbst ein Pferd beschwichtigen können. Dahinter steckt ein Wunsch, den viele Pferdemenschen haben, nämlich „wie ein Pferd sprechen zu können“. Ich persönlich glaube, dass das leider erstens nur sehr bedingt möglich, zweitens aber tatsächlich auch gar nicht nötig ist. Lies hier meine Gedanken dazu.
Kommunizieren wie ein Pferd?
Es gibt inzwischen zahlreiche (zum Teil schon recht kuriose) Ansätze, die uns zeigen wollen, wie wir uns Pferden verständlich machen können, indem wir so „sprechen wie sie“. Die zeigen uns dann unterschiedliche Anleitungen für bestimmte Bewegungen, Körperpositionen und -haltungen, Verhaltensweisen und andere Wege der Kommunikation mit Pferden. Ein Pferd beschwichtigen würde dann vielleicht so aussehen können, dass wir unseren Kopf zur Seite wenden …
Leider übersehen diese Ansätze aus meiner Sicht aber zwei wichtige Punkte:
- Kein einziges Pferd wird je einen Menschen für ein Pferd halten!
- Pferde verstehen uns anders, als wir es oft annehmen.
Für mich gilt:
Statt Pferdeverhalten zu imitieren, sollten wir lernen, als Mensch pferdefreundlich zu antworten.
Wir brauchen gar nicht „Pferd spielen“
Pferde können als hochsoziale Herdentiere nicht nur sich untereinander erspüren, sondern sie können auch andere Wesen exzellent wahrnehmen. So erfassen sie zum Beispiel unsere Stimmungen sehr genau, lesen unsere Körpersprache bis in feinste Details, deuten unsere Mimik und wissen oft viel besser, wie es uns geht, als wir selbst. Verwirrt sind sie nur oft dadurch, dass wir durch unser Tun häufig Widersprüchliches ausdrücken. So treiben wir unser Pferd zum Beispiel an, obwohl wir eigentlich Angst vor mehr Tempo haben. Oder wir versuchen, „führungsstark“ aufzutreten, obwohl wir innerlich unsicher sind.
Nun dienen Beschwichtigungssignale Pferden ja vor allem dazu, das Miteinander harmonisch zu gestalten. Sie sagen damit zu uns also so etwas wie „Lass uns eine gute Zeit zusammen haben.“ Häufig ist dafür eine gewisse Unsicherheit der Anlass, manchmal aber auch echte Sorge. Erkennen wir Zeichen der Beschwichtigung bei unserem Pferd, sollten wir aus meiner Sicht nicht darüber nachdenken, wie wir auf Pferdeart darauf reagieren können. Wir sollten uns vielmehr fragen, ob wir vielleicht gerade zu viel Druck machen oder zu streng oder ungeduldig sind und entsprechend weicher werden. Für mich geht es hier nicht um die Frage, welche Zeichen ich senden soll, sondern um mein Vermögen zu erkennen, was das Pferd gerade braucht, damit es sich mit mir sicher und wohlfühlt. Und dafür sind Selbstreflexion mehr Bewusstsein über unsere Wirkung viel wichtiger als Imitation von Pferdeverhalten.
Ein Pferd beschwichtigen – ein unnötiger Impuls
Wir vergessen oft, dass wir Pferden nichts vormachen können. Auch wenn sie oft Schwierigkeiten haben, all die vielen „Hilfen“ korrekt zu deuten, so erfassen sie uns instinktiv zuverlässig auf ganz unterschiedlichen Ebenen.
- So spüren Pferde sehr genau, wenn wir Erwartungen an sie haben oder unzufrieden sind.
- Sie nehmen auch unseren Stress wahr, Unsicherheiten und Ängste.
- Pferde sind sehr sensibel für jede Art von Druck und reagieren auf vieles, was uns gar nicht bewusst ist.
Selbst wenn es uns gelingen würde, eine pferdetypische Beschwichtigung zu zeigen, würde diese beim Pferd nur dann auch so ankommen, wenn wir dafür auch dieselbe Motivation hätten. Und allein das ist selten der Fall. Wir haben ja fast immer etliche Ziele im Kopf und bringen eine ganze Reihe von Vorstellungen mit, was alles unbedingt getan werden muss, vielleicht aus Trainings- oder gesundheitlichen Gründen oder Ähnlichem. Zusätzlich haben wir oft nur ein kleines Zeitfenster, um das alles zu schaffen. Und damit strahlen wir vor allem Anspannung und oft auch Stress aus. Das wiederum können wir nicht durch künstliche Gesten oder Bewegungen ändern, sondern hier müssen wir an uns arbeiten.
Oder anders gesagt: Ein gestresstes oder verunsichertes Pferd wird sich am schnellsten entspannen können, wenn wir uns selbst entspannen und statt etwas vom Pferd zu wollen, einfach erst einmal offen und freundlich sind.
So reagierst Du pferdefreundlich auf Beschwichtigung
Aus meiner Erfahrung sind folgende Punkte in Sachen Beschwichtigung wirklich pferdefreundlich:
- Lerne die feinen Signale überhaupt erst einmal zuverlässig zu erkennen. Viele davon entgehen uns! Erkenne sie wertfrei als Teil der natürlichen Kommunikation Deines Pferdes. Sei neugierig darauf, was es Dir alles mitteilt.
- Gerate nicht in eine falsche Betroffenheit, nach dem Motto „Was mache ich nur falsch, wenn mein Pferd meint, mich beschwichtigen zu müssen?“, sondern reflektiere, was gerade in dieser Situation los ist. Dazu gehört, Dir Deiner eigenen Wirkung bewusster zu werden. Beschwichtigungszeichen können sich aber auch auf andere Wesen oder Gegenstände beziehen. Manchmal haben sie auch eine selbstberuhigende Funktion.
- Lerne nach und nach immer besser, die Signale Deines Pferdes in den jeweiligen Situationen richtig verstehen und finde einfühlsam heraus, was genau Dir Dein Pferd jeweils damit sagen will.
- Sieh Dich als Ansprechpartner*in für Dein Pferd und sorge immer wieder ganz bewusst dafür, dass sich Dein Pferd wohl und sicher mit Dir fühlt. Das kann in verschiedenen Situationen ganz unterschiedlich sein.
Tipp: In meinem Webinar Beschwichtigung und Stress bei Pferden gehe ich ausführlich darauf ein, wie wir mit Beschwichtigungszeichen gut umgehen können. Dazu kann jede*r gerne auch konkrete Situationen schildern oder Videos schicken, die wir dann zusammen besprechen.
Weitere Blogbeiträge zum Thema:
Hallo Tania, ich finde deine Ansätze sehr interessant und lese deinen Blog immer gerne.
Seit ich ein eigenes Pony (Hafi) hab, habe ich sooo viel über Kommunikation von und mit Pferden lernen dürfen, es ist erstaunlich, wie sehr sie sich uns mitteilen und wie gut sie uns erspüren und spiegeln.
Eine meiner prägendsten Erfahrungen war, als ich meinen Hafi mal von der Koppel holte und gerade viel Stress auf der Arbeit hatte und während ich mit ihm so lief, an die Arbeit dachte und unbewusst innerlich zu kochen begann und mein Hafi plötzlich total unruhig und unleidig wurde und mich quasi fragte, warum ich ihn denn jetzt so „anschreie“ obwohl er doch gar nix gemacht hatte. – Das war für mich so überraschend, da ich nicht dachte, dass er das so spürt, wie es mir geht , aber seit da ist mir viel bewusster, was tatsächlich dieses „hier und jetzt“ für Pferde bedeutet und auch unsere ganze Kommunikation und Beziehung hat sich seit diesem Schlüsselerlebnis absolut zum besseren und niedrigschwelligeren verändert.
Liebe Doris,
wie toll, dass Du das so wahrgenommen hast! Genau das ist leider nicht selbstverständlich…
Euch beiden alles Liebe und Gute,
Tania