– Schon mal drüber nachgedacht?
Viele Auseinandersetzungen mit Pferden entstehen bei ganz alltäglichen Dingen. Statt uns zu fragen, was uns das Pferd mit seinem Verhalten sagen will, strafen oder rügen wir und streiten uns mit unserem Pferd. Pferde putzen ist ein exzellentes Beispiel dafür. Lies weiter, wenn Du wissen möchtest, warum Du vielleicht nicht im Recht bist, wenn Du denkst, dass Dein Pferd „sich nicht so anstellen soll …“
Stress beim Pferde putzen ist nicht „normal“
Oft ist beim Putzen zu beobachten, dass das Pferd nicht stillsteht, sondern herumhampelt, die Ohren anlegt und vielleicht sogar nach dem Menschen schnappt oder ihn anrempelt. Unsere Reaktionen auf ein solches Verhalten sind oft unwirsch. Dann schimpfen wir:
- „Himmel, nun steh doch endlich mal still!“
- „Du bist aber wieder nervig heute!“
- „Die Zicke spinnt heute wieder total…“
Und nicht selten wird das Pferd dann auch noch bestraft…
Für mich ist das wieder ein typischer Fall dafür, dass wir nicht erkennen, dass unser Pferd uns mit seinem Verhalten etwas mitteilen möchte, und deshalb nicht pferdefreundlich reagieren. Statt uns zu ärgern, sollten wir uns fragen, was dem Pferd nicht gefällt, um zu lernen, wie wir es besser machen können. Denn eigentlich soll das Putzen ja etwas Schönes FÜR das Pferd sein und keine ständige Stressquelle, findest Du nicht?
Eine Studie zum Pferde putzen
Schon vor Jahren zeigte eine französische Studie, dass beim Putzen vieles falsch läuft (hier ist der ausführliche Artikel dazu nachzulesen). Für viele Pferde ist es sogar eher eine Quelle von Unbehagen, als dass sie es genießen können! Zitat von Dr. Lea Lansade: „Die Hälfte der Pferde benahm sich beim Pflegen aggressiv oder zeigte Schmerzreaktionen … Lediglich 5 % der Pferde zeigten ein positives Verhalten während der Pflege-Einheit, etwa indem sie ihrerseits versuchten, die „Körperpflege“ zu erwidern oder indem sie näheren Kontakt zum Reiter suchten.“
Jedes Pferd ist anders und jedes Pferd mag und braucht andere Sachen. Während der eine gerne ausgiebig geschrubbt wird, ist dem anderen schon jedes sanfte Bürsten zu viel. Genau das kann aber auch je nach Tagesform oder Jahreszeit variieren. Auch der Grad der Verspannung eines Pferdes spielt hier eine große Rolle! Dann reagieren manche Pferde beim Putzen stark auf die Stimmungen des Menschen. Andere haben Sorgen, weil sie angebunden sind oder sich vor einer groben Behandlung fürchten. Vielleicht hören sie auch den Kumpel auf der Weide rufen oder es riecht seltsam am Putzplatz. Auch das Geschehen rund um den Putzplatz hat Einfluss auf das Verhalten des Pferdes (andere Menschen und Pferde, Geräusche, Bewegungen usw.). Und so wird beim Beispiel Putzen sehr deutlich, dass jedes Miteinander mit dem Pferd durch viele Faktoren beeinflusst wird.
Ich denke, als Pferdemensch ist es unsere Aufgabe, das Miteinander möglichst immer so zu gestalten, dass es unser Pferd nicht nur über sich ergehen lässt, sondern es eine gute Sache ist. Herauszufinden, wie unser Pferd das Putzen genießen kann, ist eine tolle Chance, es besser kennenzulernen und an der Beziehung zu arbeiten.
Da muss es eben durch?
Manch einer wird nun sagen: „Da müssen die halt durch!“, doch wieso sollte das so sein? Hat ein Pferd nicht das Recht zu zeigen, wenn ihm etwas unangenehm ist? Und ist es nicht unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es das Putzen als etwas Angenehmes empfindet? Ein Pferd kann nicht sagen: „Hey, du tust mir gerade weh!“, sondern es wird entweder versuchen, der Berührung auszuweichen oder sie mit einer Gegenreaktion zu beantworten.
Hier geht es wieder einmal darum, nicht nur an Erziehung und Gehorsam zu denken, sondern sich zu fragen, wie wir das Miteinander mit unserem Pferd pferdefreundlich gestalten können. Dafür müssen wir aber das, was uns unser Pferd sagen will, verstehen und annehmen. Tun wir es, können wir ihm die Zeit mit uns so schön wie möglich machen.
Wie kann ich es besser machen?
Wenn also Dein Pferd beim Putzen nicht stillsteht oder sogar deutlich abwehrend reagiert, frage Dich:
- Ist meinem Pferd das, was ich tue, vielleicht unangenehm? Was kann dafür die Ursache sein? Wie kann ich es besser machen?
- Tue ich ihm ungewollt weh oder kitzele ich es?
- Putze ich zu doll oder zu grob oder zu hektisch?
- Sollte ich einen anderen Striegel nutzen?
- Womit und wie wird mein Pferd gerne berührt?
- Fühlt es sich vielleicht an dem Ort, an dem ich es putze, nicht wohl? Hat es dort Stress? Wo kann es besser entspannen?
- Kommt es vielleicht mit dem Angebundensein nicht klar oder findet es bestimmte Sachen bedrohlich? Kann ich es vielleicht einmal frei auf dem Platz probieren?
- Gibt es vielleicht andere Gründe: Hat es Hunger oder Durst? Muss es äppeln oder pinkeln?
- Und wie ist meine eigene Ausstrahlung beim Putzen? Bin ich vielleicht genervt und gestresst? Bin ich dabei wirklich bei meinem Pferd oder abgelenkt und fahrig?
Finde heraus, was Dein Pferd wirklich mag und braucht, um das Putzen entspannt genießen zu können. Manchmal ist die Antwort ganz einfach! Bei meinem Anthony habe ich zum Beispiel herausgefunden, dass er lange ruhige Striche mit der Bürste viel lieber mag als kurze. Seitdem ich das geändert habe, steht er entspannt da und genießt.
Für mich zeigt dieses Beispiel (und es ist nur eines von vielen) wieder einmal auf, dass es ungerecht ist, einfach das Pferd für sein Verhalten zu bestrafen, während wir doch diejenigen sind, die es (oft unbewusst) überhaupt erst in eine unangenehme Situation bringen. Und es zeigt auch, wie einfach sich oft viele Probleme lösen lassen!
Lesetipp: Versteh Dein Pferd
Liebe Tania, ich hatte mein Aha Erlebnis bei einer Wellness Massage. die Bewegungen waren viel zu schnell und hektisch, so dass ich mich gar nicht entspannen konnte (im Gegensatz zu meiner sonstigen Masseurin) . Seit dem bin ich viel aufmerksamer beim Putzen und achte darauf, auch bei Zeitdruck langsame Bewegungen zu machen.
Oh ja, das am eigenen Leib zu erfahren, ist sicher sehr lehrreich und ein toller Denkanstoß!
Lieben Dank fürs Teilen,
Tania
Liebe Tania,
ich habe meiner Stute mit Clickertraining beigebracht unangebunden stehen zu bleiben. Ich finde es furchtbar, wenn Pferde kurz oder noch schlimmer, auf beiden Seiten fixiert werden.
Frei stehend kann sie mir zeigen, wo es besonders juckt. Gerade jetzt im Fellwechsel macht sie davon häufig Gebrauch. Dabei hebt sie schonmal das Hinterbein, wie ein Hund beim pinkeln, um mir zu zeigen das die inneren Schenkel jucken. Sehr beeindruckend und ein Hingucker bei einem Shirehorse. Die Schnute die sie dabei zieht, wenn ich die richtige Stelle schubber, ist einfach herrlich. Die Bindung, die so zwischen Pferd und Mensch entsteht, wird eine ganz enge und das nicht nur beim Putzen, wenn man richtig zuhört. So habe ich viele Nachahmer ohne ein Wort zu sagen.
Wunderbar!!!
Herzlich,
Tania
Liebe Tanja
Deinen Artikel finde ich super, ich beobachte dasselbe schon lange. Die Leute hören aber leider kein bisschen auf mich, wenn ich mal was sage (immer ganz freundlich). Meine eigene Stute (ein Schimmel) zeigt mir ganz höflich wenn ihr was unangenehm ist, sie geht einfach einen Schritt auf die Seite. Manchmal akzeptiert sie es wenn ich mit den Fingern weiterputze, manchmal auch nicht. Im Sommer kann ich sie mit einem Lappen waschen, im Winter lasse ich sie dann einfach mit dem Schmutzfleck. Die Leute wollen immer das perfekt saubere Pferd, und dafür leidet es ganz oft. Lieber habe ich ein schmutziges (aber trotzdem gepflegtes) glückliches Pferd, ich finde sie auch so total hübsch.
Liebe Sabine,
ja, leider wird immer noch allein die Technik vermittelt, nicht aber die Achtsamkeit… Super, dass Du so auf Dein Pferd eingehst!
Herzlich,
Tania
Mein Pferd zeigt mir auch häufig selbst, wo es geputzt werden will. Wenn es anfängt am Bein mit den Zähnen zu kratzen, dann kratze ich dort eben weiter mit meiner Bürste.
Neulich hat es sich den Unterkiefer an der Anbindestange wie dolle geschubbert (Fellwechsel :-)). Dann habe ich dort und vor allem zwischen den Ganaschen (kommt sie ja nicht selber hin) gebürstet. So ein genießendes Pferd habe ich noch nicht erlebt: Ihr Kopf lag irgendwann auf meiner Schulter, ihr Hals war gedehnt und verdreht, die Schnute spitz gezogen, und ich hätte dort bestimmt eine Stunde lang und länger bürsten können.
Am nächsten Tag war dann an der Stelle kein Bedarf mehr.
Und auch wenn sie etwas in der Umgebung beunruhigt zeigt sie es mir. Ich stelle sie dann so hin, dass sie es sehen kann, und gut ist. Viele aber binden in so einer Situation ihr Pferd kurz an, und der Tanz beginnt.
Hach, würden doch nur alle so auf ihre Pferde achten! Super 🙂
Lieber Gruß,
Tania
Oh, wie sprichst du mir aus der Seele! Ich hab vor 2 Jahren einen Vollblüter zu mir geholt und ihn aufgrund vieler Umstände erstmal Pferd sein lassen. Er mag Putzen und Angefasst werden definitiv nicht! Zu Beginn unseres Zusammenseins hat er sofort angefangen an mir rumzugnibbeln – vorsichtig zwar, aber mit den Zähnen. Erst fand ich das irgendwie süß – wie alle anderen auch, bis ich dahintergekommen bis: Er sagt damit „Nein!“ Beim ersten Mal Putzen am Bauch hat er dann auch die Hinterhufe benutzt, es hieß: Oh ja, das macht er ab und zu….. Ab da hab ich angefangen, ihn genau zu beobachten: Er hat bis dahin nur stillhalten, weil er das so gelernt hat – wie, möchte ich gar nicht wissen…. Inzwischen reagiere ich auf jedes Abwenden, Schweifschlagen, Gnibbeln (wobei er das nur noch sehr selten macht!) und breche dann jeden Körperkontakt ab. Er lohnt es mir, indem er bei mir bleibt, mich seinerseits anstubst und vor allem immer wieder herkommt. Ich putze ohne Halfter und Anbinden, so dass er jederzeit gehen kann. Nach 2 Jahren nun darf ich ihn sanft bürsten, noch nicht überall und genießen geht noch nicht, aber ich denk, auch das lernt er noch. Danke für diesen deinen so wichtigen Beitrag hier!!!!!
Und danke Dir für diesen tollen Bericht, der hoffentlich viele zu mehr Achtsamkeit anregt. Sie ist sooo wichtig!
Herzlich,
Tania