Pro Pferd!

Geschrieben von Tania Konnerth

Tania ist Autorin und Pferdecoach. Sie schreibt seit vielen Jahren für Blogs und Zeitschriften, hat diverse Bücher veröffentlicht, gibt Webinare und coacht Pferd-Mensch-Paare. Sie wünscht sich vor allem, dass Pferde besser verstanden werden.

… wie sich wirklich etwas ändern kann

Wann immer ein Video auftaucht, in dem Gewalt gegen Pferde gezeigt wird, geht eine enorme Welle von Bestürzung durch die Pferdewelt. All die engagierten Reaktionen darauf sind unbedingt wichtig und lobenswert. Und doch dürfen wir uns dadurch nicht davon ablenken lassen, worum es wirklich geht. Was aus meiner Sicht nötig ist, damit „pro Pferd“ normal wird, erfährst Du in diesem Post.

„Die“ und wir …

In Diskussionen um Gewalt gegen Pferde gibt es immer „DIE“ (das sind die Täter) und „wir“, die wir die Taten verurteilen. Ich frage mich dann, ob sich wirklich jeder nur einer dieser Kategorien zuordnen kann?

Um bei mir selbst zu bleiben: Ich muss leider zugeben, dass ich mich nicht klar einordnen kann. Denn auch ich habe schon Pferden Gewalt angetan. In meinen ersten Reitjahren unter Anleitung im Reitunterricht und später auch allein. Ich tat es aus Ohnmacht und Hilflosigkeit, weil ich keine Alternativen hatte. Genauso habe ich lange Zeit nicht eingegriffen, wenn Pferde misshandelt wurden. Ich schäme mich dafür bis heute, aber ich kann es nicht ungeschehen machen, es gehört zu mir und meinem Weg. Aber: Ich habe meine Taten und Versäumnisse als Anlass genommen, umzudenken und mich zu verändern. Bis heute erarbeite ich mir und vermittle, wie es anders geht.

Denn da liegt für mich der Schlüssel: Solange wir keine Antworten darauf haben, wie es denn tatsächlich anders geht, kann sich nicht viel ändern, so gerne wir es auch wollen!

Wenn keiner Gewalt will, warum ist sie normal?

Ich möchte behaupten, dass die allermeisten Pferdemenschen Gewalt gegen Pferde eigentlich ablehnen – aber genau in dem unscheinbaren „eigentlich“ steckt das Problem. Denn genauso, wie laut gerufen wird, dass es falsch ist, Pferde zu schlagen, um es zu Leistungen zu zwingen oder Preise zu gewinnen, wird ganz schnell eingeräumt, dass man sich allerdings schon auch mal durchsetzen muss. Dass ein Pferd schließlich nicht machen kann, was es will. Dass es gefährlich wird, wenn wir ein Pferd nicht im Griff haben. Dann kommen die typischen Beispiele von wegen, was man denn tun soll, wenn ein Pferd, auf der Straße stehenbleibt. Oder das Argument, dass Pferde untereinander auch nicht zimperlich sind. Und viele Pferde seien ja auch einfach „total dominant“… Und dann wird Pferden ganz normal am Gebiss gerissen und sie bekommen Sporen zu spüren oder auch die Gerte, … „weil es leider sein muss und ja nicht anders geht„. Und genau das ist falsch!

Es geht anders, nur leben und zeigen immer noch zu wenige, wie!

Wo beginnt „pro Pferd“?

Forderungen nach einem „pro Pferd“ dürfen aus meiner Sicht nicht erst bei Turnieren oder im Leistungssport beginnen und bei den anderen. Sie müssen im ganz normalen Umgang mit Pferden beginnen, also bei Dir und mir. Denn schon da passiert sehr vieles, was nicht pferdefreundlich ist. Tatsächlich könnte man meiner Einschätzung nach in den meisten Ställen Videos machen, die Bestürzung auslösen würden… Das geschieht nicht aus bösem Willen, sondern weil es noch immer herkömmlicherweise so vermittelt wird und als „normal“ gilt.

Wenn wir uns wirklich eine Welt pro Pferd wünschen, müssen wir – alle! – eine neue Basis schaffen:

  • Die Grundlage ist, in Pferden Mitlebewesen zu sehen, die eigene Vorstellungen, Bedürfnisse und Persönlichkeiten haben und dass wir noch viel besser verstehen müssen, was sie ausmacht.
  • Wir müssen bereit sein, unsere Einstellung und Erwartungen gegenüber Pferden zu überprüfen und vor allem das, worauf wir glauben, ein „Anrecht“ zu haben.
  • Es ist unerlässlich zu verstehen, dass Pferde über ihr Verhalten kommunizieren und wir sie nicht einfach für „unerwünschtes“ Verhalten maßregeln oder bestrafen dürfen, sondern die Ursachen dafür finden müssen.
  • Es gilt, Gelerntes und Übliches in Frage zu stellen und nicht alles zu glauben, was andere sagen.
  • Unser Pferd sollte uns immer wichtiger sein, als Leute, die an der Bande stehen oder in den sozialen Medien mitlesen…
  • Und wir sollten nicht darin nachlassen, immer noch ein bisschen pferdefreundlicher zu werden. Das mag für viele anstrengend klingen, ist aber eine tolle Sache – auch ich lerne stetig dazu!

Pro Pferd, auch wenn das Pferd nicht will?

Wer mit Pferden zu tun hat, kann jeden Tag aufs Neue sein eigenes Tun überprüfen und sich fragen, wie pro Pferd das eigentlich ist, was wir gerade tun oder entscheiden. Echte Pferdefreundlichkeit zeigt sich nicht, wenn alles nach Plan läuft, sondern dann, wenn es nicht klappt, wie gewünscht:

  • Was tust Du, wenn Du Dein Pferd von der Weide holen willst, und es dreht sich weg oder läuft davon?
  • Wie reagierst Du, wenn Dein Pferd hapst oder in den Strick beißt?
  • Was machst Du, wenn Dein Pferd beim Putzen unruhig ist und Dich anrempelt?
  • Wie gehst Du damit um, wenn Dein Pferd scheinbar ohne Grund scheut oder keinen Schritt vorwärtsgeht?
  • Und so weiter und so weiter…

Die Liste dieser Fragen könnte ich tatsächlich endlos weiterführen. Es sind all die Fragen, die mir per Mail gestellt werden und zu denen Leute sich Rat von mir wünschen. Es sind Fragen, zu denen ich Artikel schreibe und auf die ich in meinen Kursen und Webinaren eingehe. Fragen, zu denen wir alle bessere Lösungsansätze als die bisherigen entwickeln müssen, wenn sich wirklich etwas ändern soll. Ansätze, die darauf beruhen, dass wir Pferde erst einmal verstehen und das, was sie uns mitteilen wollen. Ansätze, die pro Pferd sind.

Pferde kommunizieren über ihr Verhalten –
sie vorschnell als widersetzlich zu bestrafen
oder zu dem zu zwingen, was wir wollen, ist nicht „pro Pferd“!

Fazit: Pro Pferd beginnt bei UNS!

So unbequem es auch vielleicht auch ist: Prügelvideos und Qual-Ausbildungen im Leistungssport sind nur die Spitze des Eisbergs. Der Eisberg ist das ganze Pferdesystem – und davon sind wir alle ein Teil. Das Gute daran ist: Während wir an der Spitze nichts ändern können, so können wir es bei uns selbst durchaus. Und das bringt uns auf einen anderen, wunderschönen Weg zum Pferd!

Wenn Du Deinen Umgang und Weg ändern möchtest und nicht weißt, wie, dann findest Du hier bei „Wege zum Pferd“ viel Hilfe: im Blog, in meinen Kursen und Webinaren. Du kannst mir auch Fragen stellen oder ein Seminar mit mir organisieren – schreibt mir einfach an tania@wege-zum-pferd.de.

Lesetipps: Freiraum-Training + Versteh Dein Pferd – beide Kurs sind auch im Sparpaket zu haben.

Pro Pferd

2 Kommentare

  1. Liebe Tanja vielen Dank für Deine einprägsamen Worte. Ich bin über 60 und habe seit 45 Jahren Pferde als großen Teil meines Lebensinhalts. Es gäbe unzählige Videos von mir über die ich und viele andere absolut entsetzt wären. Es bleibt mir nichts anderes übrig als zu versuchen es besser zu machen. Erst denken, dann handeln. Wir sind alle menschlich. Irgendwo habe ich vor langer Zeit gelesen gib den Tritt einem Strohballen und nicht dem Pferd. Ich schnappe mir auch mal den Besen zum Abreagieren und Nachdenken, dann habe ich sogar noch eine saubere Stallgasse

    Antworten
    • Liebe Christine,
      ganz, ganz herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Es braucht Mut, das zuzugeben, und ich denke, je mehr sich genau das trauen, desto leichter fällt das Umdenken! Denn erstmal müssen wir Irrwege erkennen, um sie zu verändern. Und genau dafür müssen wir bereit sein, uns eben auch das einzugestehen, was wir nicht so gut gemacht haben. Mir erscheint das der wichtigste Punkt zu sein, wenn es um Lernen und Entwicklung geht: gemachte Fehler zu erkennen, sie sich zu verzeihen und aus ihnen zu lernen.
      Und das mit dem Fegen ist klasse!!!
      Lieber Gruß,
      Tania

      Antworten

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