Futtererziehung mit Wissen und Verständnis

Geschrieben von Tania Konnerth

Tania ist Autorin und Pferdecoach. Sie schreibt seit vielen Jahren für Blogs und Zeitschriften, hat diverse Bücher veröffentlicht, gibt Webinare und coacht Pferd-Mensch-Paare. Sie wünscht sich vor allem, dass Pferde besser verstanden werden.

Konsequenz und Köpfchen statt Strenge

Über die Gabe von Futterlob gibt es die unterschiedlichsten Ansichten. Während manche das Füttern aus der Hand komplett ablehnen, finden andere es „ja so niedlich“, wenn ihnen ihr Pferd ständig in der Tasche hängt. Ich persönlich liebe die Arbeit mit Futterlob, aber aufdringliche Pferde nerven mich. Für mich darf die Futtergabe kein Stressfaktor im Training sein, sondern soll einfach eine nette kleine Freude machen. Ich habe bereits im Beitrag „Füttern aus der Hand“ die grundsätzlichen Voraussetzungen dafür beschrieben. Kommen wir hier nun zur „Futtererziehung“.

„Erziehung“ ist dabei ein Wort, das ich eigentlich gar nicht so gerne nutze, denn es führt bei vielen von uns dazu, streng zu werden. Wir sind ja oft eh schon selbst konzentriert, um den richtigen Moment zum Clicken zu finden, haben Angst Fehler zu machen und wenn wir dann noch „erziehen“ sollen, kippt das oft in eine sehr ungemütliche Grundstimmung. Diese sollte aber möglichst immer entspannt, offen und fröhlich sein. Hier habe ich ein paar Tipps für Euch, mit denen es leichter werden sollte, auch Erziehungsaufgaben locker und entspannt zu erarbeiten.

Einmal kurz ins Pferd versetzen

Damit die Gabe von Futter aus der Hand entspannt und ohne Drängeln stattfinden kann, ist es hilfreich, dem Pferd erst einmal zu vermitteln, dass es keinen Mangel gibt. Aber genau das lehnen viele Pferdemenschen ab. Vielleicht denkst Du auch, dass das Futterlob doch was besonders sein soll? Dass das Pferd es sich wirklich verdienen muss und Du es deshalb nur selten und in kleinen Portionen gibst? Dann schaffst Du damit leider die besten Voraussetzungen für Stress.

Hier fehlt es uns oft einfach ein bisschen an Verständnis. Dabei würden wir ganz ähnlich wie viele Pferde reagieren, wenn wir, egal wie sehr wir uns anstrengen, als Belohnung immer nur einen winzigen Krümel bekommen würden und das vielleicht auch nur alle zehn Minuten einmal, oder?

Kauen entspannt

Gerade zu Beginn ist es gut, großzügig zu füttern, so dass das Pferd tatsächlich auch kauen kann. Kauen entspannt und hemmt die Gier, die einsetzt, wenn die Futtergabe zu winzig ist. Sehr wichtig ist, dafür Futter zu wählen, das nicht zu attraktiv ist, denn klar, von richtig leckeren Sachen bekommt kaum jemand genug (was auch wieder für Pferde und Menschen gleichermaßen gilt). Die ganz leckeren Sachen nutze ich für nur den „Jackpot“, also wenn etwas besonders toll war. Das Futter sollte natürlich auch gesund sein, weshalb handelsübliche Leckerlis meist nicht geeignet sind. Es gibt spezielles Clickerfutter, das sich gut eignet (ich nutze dieses). Darüber hinaus habe ich gute Erfahrungen mit Hafer gemacht. Davon braucht man viel weniger als die meisten denken, da die Pferde auch schon auf kleinen Mengen fröhlich herumkauen. Es gehen auch Möhren- oder Gurkenstückchen oder getrocknete Hagebutten.

Tipp: Bei sehr gierigen Pferden würde ich vor allem in der Anfangsphase immer auch eine kleine Portion Heu anbieten, einfach damit sie die beruhigende Erfahrung machen können, genug zu bekommen (die kann man z.B. in einem Baumwollbeutel dabei haben).

Dann gibt es zwei wichtige Regeln, auf die ich achte:

Regel Nummer 1: Bitte mit Abstand

Die meisten von uns neigen dazu, immer ein bisschen zu dicht am Pferd zu arbeiten. Pferde kommunizieren aber stark über das Raumverhalten und genau damit können wir für ein gutes und respektvolles Miteinander sorgen. Bei Futtergaben führt zu wenig Abstand ganz schnell dazu, dass die Pferde in den Taschen wühlen, ein bisschen schubsen oder auch nach der Jacke schnappen, was wir dann bestrafen. Viel entspannter wird es, wenn wir von Beginn an einen guten Abstand zum Pferd halten, denn damit sorgen wir „in ihrer Sprache“ für eine respektvolle Basis. Das Pferd soll sich das Futter also nicht von mir nehmen, sondern ich möchte dem Pferd das Futter reichen.

Wenn ich neu mit Pferden arbeite, wähle ich den Abstand meist größer als bei Pferden, die ich schon gut kenne. Je aufgeregter oder auch aufdringlicher das Pferd ist, desto mehr Abstand möchte ich – und mache das Abstandschaffen und -einhalten selbst zur Clickerübung.

Hier seht Ihr Anthony, der mich nach dem Click erwartungsvoll, aber entspannt anschaut. Ich kann nun zu ihm gehen, um ihm etwas zu geben. Damit warte ich natürlich nicht ewig, sondern reiche ihm das Futter zügig, aber ohne Stress. (Das Warten wäre eine eigene Übung.) Würde ich sehen, dass er auf mich zukommen will, würde ich ihm, möglichst bevor er losgeht, schon ein Zeichen geben, dass er bitte stehenbleiben und ihn ggf. bitten, den Schritt wieder zurückzumachen, sollte er sich schon bewegt haben. Dann clicke ich neu und reiche ihm zügig das Futter, um einen weiteren „Fehler“ zu vermeiden.

Mit der Zeit soll das Pferd idealerweise wirklich gelassen warten können, weil es weiß, dass das Futter kommt.

Regel Nummer 2: Ich clicke und gebe das Futter

Die meisten Pferde verstehen das Prinzip der positiven Verstärkung sehr schnell, schneller als die Menschen. 😉 Manche erwarten dann für etwas, das sie richtig oder gut gemacht haben, Futter und fordern es auch ein – je nach Persönlichkeit ganz lieb oder auch mit Nachdruck. Hier gilt es achtsam zu sein und bereits die ersten Zeichen dafür zu erkennen.

Ein Pferd, das Futter aktiv einfordert, ist nicht vertrauensvoll und gelassen, sondern angespannt. Zunächst ist es vielleicht nur ein bisschen ungeduldig, worauf wir dann versuchen, das Futter schneller zu geben, statt die Situation zu entspannen. Das führt dann oft sehr schnell zu immer mehr Anspannung und echtem Stress. Wenn ich merke, dass ein Pferd mich clickert, lache ich darüber, sage dem Pferd, dass es ein schlaues Kerlchen ist, und bringe mich wieder in die Position des Clickernden (Stichwort Signalkontrolle).

Und auch ganz wichtig: Bitte nicht streng werden oder gar wütend, das vergiftet schnell die Situation und nach und nach auch das Miteinander. In den allermeisten Fällen liegen die Fehler bei uns, nicht beim Pferd.

Futtererziehung kann (und sollte) Spaß machen

Damit die Futtererziehung nicht streng und nervig für beide Seiten wird, ist unsere innere Einstellung sehr wichtig. Und hier hilft Humor enorm!

  • Schmunzle über Dein Pferd, wenn es sich doch mal wieder ganz unbemerkt (nämlich, weil Du nicht gut aufgepasst hast 😉 ) an Dich herangeschlichen hat und Dir fast auf den Füßen steht und bitte es dann freundlich, wieder einen Schritt zurückzugehen – und genau das clickst Du und gibst ihm dafür Futter. Und sei bereit, das gegebenfalls viele Male zu machen. 😉
  • Und lache einfach, wenn Du merkst, dass gerade Du schon wieder geclickert wirst, stell ihm eine kleine andere Aufgabe und gewinne so Deine Position als Clickerer zurück.

Sieh die ganze Sache einfach mehr als ein Spiel, denn als eine Auseinandersetzung. Echte Souveränität entsteht nicht aus Härte oder Strenge, sondern aus Selbstreflexion, ein bisschen Weisheit und viel Humor.

In einer nächsten Folge gehe ich noch auf wirklich schwierige Kandidaten ein, mit denen man am besten zunächst mit dem sogenannten „Protected Contact“ arbeitet.

Lesetipps: Der Clickerkurs von „Wege zum Pferd“ + Versteh Dein Pferd

 

Foto von Horst Streitferdt

7 Kommentare

  1. Oh ich freu mich so über deinen Beitrag!!! Ich bin Erzieherin, wobei ich eigentlich finde dass Kindergärtnerin viel schöner klingt. In der Arbeit mit Kindern habe ich schon so oft gemerkt wie Lachen eine Situation entschärfen kann, von der man sich durchaus auch hätte provozieren lassen können. Einfach nicht alles gleich negativ sehen…
    So Handhabe ich das bei meinen Hunden und auch bei den Pferden. Sicher ist nicht alles perfekt, aber warum sollte es auch? Ich möchte mich doch an meinen Tieren erfreuen und nicht Gehorsamkeit erzwingen.
    Danke dass du daran erinnerst und mir aus dem Herzen sprichst!

    Antworten
    • Liebe Vanessa,
      ganz herzlichen Dank für Deine Zeilen. Ich freu mich sehr darüber, dass dieser Beitrag so gut ankommt. „Erziehung“ ist schon wirklich ein seltsames Wort und beschreibt leider ziemlich eindrücklich, worum es oft geht…
      „Ich möchte mich doch an meinen Tieren erfreuen und nicht Gehorsamkeit erzwingen.“ – sooo wahr!!!
      Liebe Grüße,
      Tania

      Antworten
      • Ihr habt ja soooo recht!!!
        Wie leicht kann die entspannte Haltung im alltagsstress untergehen und gute Ansätze verderben.
        Es ist schön, gelegentlich daran erinnert zu werden…

  2. Liebe Tania, danke für den Artikel, Am Wichtigsten finde ich die innere Haltung, die du darin vermittelst. Lachen und Leichtigkeit statt Kampf. das geht aus meiner Sicht in der Reiterwelt und auch im sonstigen Alltag zu oft verloren.

    Dieser Satz von Dir hat echt bei mir nachgeklungen:“Echte Souveränität entsteht nicht aus Härte oder Strenge, sondern aus Selbstreflexion, ein bisschen Weisheit und viel Humor“

    Hast Du Tipps, wie man sich immer wieder selbst daran erinnern kann?

    Antworten
    • Hi Steffi, und lieben Dank für das tolle Feedback.
      Tja, wie kann man sich an einen Gedanken erinnern? Vielleicht den Satz auf ein Post-it-Note schreiben und am Stallschrank festmachen oder ein Kärtchen in den Putzkasten legen? Je öfter der Blick drauf fällt, desto selbstverständlicher wird er.
      Ganz herzlich,
      Tania

      Antworten
  3. Mir spricht der Beitrag aus dem Herzen! Da ich mein eigenes Pferd vor zwei Jahren (mit fast 31 Jahren) einschläfern lassen musste, habe ich seither eine Reitbeteiligung, die aktuelle seit einem dreiviertel Jahr. Es handelt sich um einen Barockpintohengst, der (meistens) sehr brav und gut handelbar ist. Bodenarbeit hat mir da sehr geholfen. Ich arbeite auch gern mit Futterlob und genau davor wurde ich gewarnt. Der Hengst würde beißen, wenn er aus der Hand gefüttert wird.
    Ich gebe ihm trotzdem Futter aus der Hand und er hat in der ganzen Zeit nicht ein einziges Mal versucht, mich zu beißen oder mich zu bedrängen. Manchmal fordert er es ein, aber ich lache drüber und sage ihm, jetzt nicht und mache weiter. Und freue mich über die gute Beziehung, die mit diesem doch etwas anspruchsvollen, aber sehr liebenswerten Pferd entstanden ist.

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    • Das klingt richtig, richtig schön bei Euch – danke fürs Teilen!
      Tania

      Antworten

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